In diesem Jahr haben die Schüler*innen der Gemeinschaftsschule am Heimgarten den Gang des Erinnerns in Ahrensburg mitgestaltet. Im Rahmen des Gedenkens an die Gräueltaten der Reichspogromnacht am 9. November 1938 haben sie sich intensiv mit der Lebensgeschichte einer ehemaligen Ahrensburgerin auseinandergesetzt. Die nachfolgende Rede ist dem Gedenken an Ruth Kupfer und dem Wunsch nach mehr Mitmenschlichkeit gewidmet.
„Ich bin ein Sonntagskind.“ Diese Worte stammen von Ruth Kupfer. Ihr fragt euch, was ein Sonntagskind ist? Ein „Sonntagskind“ ist ein Mensch, der als besonders glücklich angesehen wird – man könnte sagen, es ist ein Glückspilz. Ruths Worte sind bemerkenswert, denn sie kommen von jemandem, der großes Leid ertragen musste.
Mit der Machtübernahme der Nazis veränderte sich das Leben von Menschen wie Ruth dramatisch. Von einem auf den anderen Tag war Ruth in den Augen der Nazis eine „Halbjüdin“. Plötzlich waren sie und ihre Familie nicht mehr sicher. Sie wurden nicht mehr wie andere Menschen behandelt. Neue Gesetze erschwerten ihr Leben. Ruth, die früher unbeschwert war, fühlte sich allein und ausgegrenzt.
Ruth wurde 1918 geboren und war 15 Jahre alt, als die Nazis 1933 in Deutschland die Macht übernahmen. Zwischen 1933 und 1945 musste Ruth viele Leid ertragen. Als Jugendliche durfte sie nicht mehr am Turnverein teilnehmen und wurde von ihren Mitschülern und Lehrern beleidigt. Außerdem wurde es ihr verboten das Abitur zu machen. Sie wurde beim Tanzen beschimpft, bespuckt und sogar verhaftet. Ihr Vater verlor seinen Arbeitsplatz, weil er sich nicht von Ruths angeblich „jüdischer“ Mutter trennen wollte. Tragischerweise wurden auch ihre Tante und Cousine ermordet.
Vor 86 Jahren, in der Nacht vom 9. November 1938, zerstörten die Nazis Synagogen und plünderten Geschäfte von Juden. Obwohl Ruth zuvor schon einiges erleiden musste, veränderte diese Nacht alles für sie. Sie fühlte sich betrogen und verletzt. Es war kaum zu begreifen, wie so etwas in Deutschland geschehen konnte. Klingt das für euch nach der Geschichte eines „Sonntagskindes“?
Hier an dieser Stelle, der Hagener Allee 11, lebte also das „Sonntagskind“ Ruth. Warum sah sich Ruth trotz all ihrer Erfahrungen selbst so? Und warum ist die Hagener Allee 11 eine so wichtige Adresse in ihrem Leben? Diese Fragen wollen wir heute klären.
Ruth hatte nach ihren eigenen Worten eine „vergoldete Kindheit“. Sie wuchs in einer liebevollen Familie auf, umgeben von Wärme und Geborgenheit. Ihre Kindheitstage waren erfüllt von Spielen mit Freunden, Lachen und den Träumen einer glücklichen Zukunft. In diesen unbeschwerten Jahren genoss sie ihr Leben. Doch als die Nazis an die Macht kamen, änderte sich dieses Leben schlagartig.
Zu dieser Zeit lebte Ruth in Ahrensburg. Hier in der Hagener Allee 11 fand sie Schutz bei ihrer Vermieterin Frau Kindt. Frau Kindt hätte Ruth eigentlich als sogenannte „Halbjüdin“ aus der Wohnung werfen müssen, doch sie entschied sich dagegen. Frau Kindt zeigte großen Mut und weigerte sich. Wir vermuten, dass sich Ruth selbst oft als „Sonntagskind“ bezeichnete, weil sie in schwierigen Zeiten immer noch Hoffnung fand. Es gab nämlich Menschen wie Frau Kindt, die ihr halfen. Diese Unterstützung gab Ruth die Kraft, durchzuhalten.
Ruths Geschichte zeigt uns, wie bedeutend Gemeinschaft und Zusammenhalt sind und wie viel Kraft in Menschlichkeit liegt. Sie erinnert uns daran, dass Menschen selbst in den dunkelsten Zeiten große Stärke entwickeln können. Jeder von uns hat die Möglichkeit, einen Unterschied zu machen – durch Freundlichkeit, gegenseitige Unterstützung und den Mut, nicht zu schweigen.
Am Ende denken wir: Ruth sah sich als „Sonntagskind“, weil sie trotz ihrer schweren Erfahrungen die Hoffnung behielt und weil sie die Nazis überlebt hat. Viel zu vielen anderen Menschen war dies nicht vergönnt. Die Hagener Allee 11 bleibt für uns ein wichtiger Ort, da diese Adresse nicht nur Ruths Zuhause war, sondern auch ein Platz, an dem die mutige Frau Kindt, die Wahl traf, nicht zu schweigen.
Lasst uns Ruths Geschichte in Erinnerung behalten und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Wir alle haben die Verantwortung, für eine bessere Zukunft zu kämpfen, in der jeder Mensch in Frieden leben kann, egal woher er kommt oder welchen Glauben er hat.
Möchtest du mehr über das Leben von Ruths Familie erfahren?
Hier findest du einen ausführlichen Bericht über die Erfahrungen und Erlebnisse ihrer Familie: Link zum Bericht.
Für den Fall, dass der Hyperlink nicht funktioniert: